top of page
  • AutorenbildKarl Obermann

Schreibgeräte von Kaweco – Funktion, Schönheit und Zuverlässigkeit

Aktualisiert: 8. Okt. 2020

Es sind oft die kleinen Firmen, die außergewöhnliche Produkte hervorbringen. Diese werden zwar weltweit vermarktet, dennoch ist der Bekanntheitsgrad meist nicht hoch. Man spricht gern von Hidden Champions. So auch bei der H&M Gutberlet GmbH, Nürnberg, die außerordentliche Schreibwaren entwickelt und produziert. Zur Historie und zur Positionierung heute, sprach unser Magazin mit dem Chef des Unternehmens, Michael Gutberlet.

Kaweco Sport, Ausführung in Metall – bis hin zu Sterling Silber.
Kaweco Sport, Ausführung in Metall – bis hin zu Sterling Silber.


Herr Gutberlet, wann hat Kaweco hier in Nürnberg seinen Anfang genommen?

Gutberlet: Die Firma ist 1972 von meinem Vater von Wendelstein nach Nürnberg verlagert worden. Und auch privat sind wir hierhin verzogen. Mein Eintritt ins Unternehmen erfolgte 1979.


Was haben Sie damals hergestellt?

Zunächst einmal noch nichts, wir waren ein reiner Industrie-Handelsvertreter-Betrieb, der Teile für die Schreibgeräte-Industrie vermittelt hat.


Hier in der Gegend gab und gibt es ja etliche Firmen, die das gebrauchen konnten.

Ja genau, ich nenne beispielhaft Faber Castell, Staedler, Schwan Stabilo, Lyra..., das waren alles Kunden von meinem Vater. Er hat zunächst nur den süddeutschen Markt bearbeitet, sich später auf ganz Deutschland ausgeweitet und noch später hat er auch international gearbeitet.

Mein Vater hat dann bestimmte Programme entwickelt, oder auch Geräte-Oberflächen und einiges mehr und hat das den „OEMs“ angeboten.


Das war also das Basisgeschäft?

Ja, das war unser Grundgeschäft, welches den Vorteil hatte, dass es ein enormes Wissen in die Firma hereingebracht hat.

Michael Gutberlet, Chef und Inhaber des Hauses Kaweco.
Michael Gutberlet, Chef und Inhaber des Hauses Kaweco.

Und sicher reizt es einen dann irgendwann zu sagen, wenn ich jetzt einen Füller machen würde, wie täte ich es und welche Teile kämen zum Einsatz...

So ähnlich war es dann auch, nur war es kein Füller, sondern ein ganz bestimmter Kosmetik-Stift. Das ergab sich dadurch, dass der Vater auf Geschäftsreise in Japan war, um einen Produktionspartner zu besuchen. Dabei hat er immer auch auf dem jeweiligen Markt Musterteile gekauft, um zu sehen, was dort gerade „in“ ist, welche Trends könnten zu uns kommen oder was könnten wir dort ggf. auch anbieten.

Dann kam er eines Tages zurück mit einem Stift, den man fast als Füllhalter fürs Auge bezeichnen konnte: Er hatte eine Patrone, war also mit Tinte befüllt und vorne dran war ein Aggregat, also ein Regler mit einem Naturhaarpinsel als Spitze. Diese Art „Brushpens“ ist in Japan Gang und Gäbe, weil man dort ja die Schriftzeichen kaligraphiert. Und irgendein cleverer Geschäftsmann in Japan hat das auf eine Nutzung in der Kosmetik umgebaut. So ein Gerät war aufwändig und hat rund 50 DM gekostet – ein recht teurer Stift. Er hat uns also diesen Stift gezeigt und gefragt, könnten wir das nicht einfacher bauen? „Naiv“ wie wir waren, haben wir es versucht. Es gibt ja bei uns in Deutschland Stifte mit Acryl-Spitze vorne dran, mit der man ein wenig ähnlich wie mit einem Pinsel malen kann. Also haben wir gesagt: „Wir machen das schlanker für die Kosmetik und machen ein schönes Gehäuse dran und dann ist das die Idee!“


Hat's funktioniert?

Die Grundidee war nicht falsch, hat auch funktioniert, nur haben wir keine Tinte gefunden.


Oh Schreck!

Ja und auch unsere bisherigen Kunden wollten diesen Stift ohne Tinte nicht, genauso wenig, wie die großen Kosmetik-Firmen. Letzte haben uns aber signalisiert, wenn ihr einen solchen Stift fertig liefern könnt, dann kaufen wir bei Euch.

Was also machen? Durch den berühmten Zufall sind uns die Ostereier-Malfarben eingefallen. Das sind Lebensmittelfarben und waren damals auch nicht so weit weg von der Kosmetik. Mit dieser Idee also haben wir ein Labor gefunden, welches uns die Tinte gemacht hat. Damit sind wir wieder zu Ellen Betrix zurück und haben erneut präsentiert. Die haben die Stifte ausprobiert, waren begeistert und bestellen auf einen Schlag 300.000 Stück! Wir wussten gar nicht, wie wir das machen, befüllen und lagern sollten.

Am Ende haben sich die Kartons mit den Teilen auf der Terrasse gestapelt.

Dann haben wir noch einen Partner gefunden, der uns die Tinte abgefüllt und die Stifte montiert hat. Wir hatten, das darf man ruhig sagen, einen solchen Bombenerfolg, dass wir nicht mehr nachgekommen sind. Wir haben von diesen Stiften wirklich Millionen Stückzahlen verkauft und einen komplett neuen Markt gemacht.


Was wurde dann aus dem Handelsvertretergeschäft?

Das haben wir nicht infrage gestellt, aber doch gesagt „wir könnten unser Geschäft durch eigene Produkte ergänzen, vielleicht sogar eigene Patente anmelden und auch eigene Designs machen usw.“ Diese eigenen Ideen und Produkte gaben uns mehr Freiheiten und letztlich auch mehr Verdienst und Erfolg. Mit diesem Erfolg im Rücken gab es dann Überlegungen, ob wir nicht auch etwas im Schreibgeräte-Bereich machen könnten.

Wir hatten schon damals eine ordentliche Füllhaltersammlung. Und innerhalb dieser fiel immer wieder ein besonderes Gerät auf: Klein, handlich, in der Tasche tragbar, der Kaweco Sport. Wir haben dann festgestellt, ja, wir könnten den mit unseren Mitteln herstellen und außerdem hat damals niemand mehr auf der ganzen Welt einen Taschen-Füller gebaut. Also haben wir uns dafür entschieden, einen solchen kleinen Taschenfüller zu bauen.

Bald stand ein Konzept und wir haben die nötigen Zeichnungen machen lassen. Dann ging es darum, den richtigen Namen zu finden. Wir haben alle möglichen in Erwägung gezogen, aber den Namen Kaweco hatten wir nicht. Der war im Besitz einer anderen Heidelberger Firma.

Aber unsere Recherchen über einen Patentanwalt ergaben, dass die Namensrechte nur noch in Deutschland angemeldet waren. Außerdem wussten wir, dass dieses Unternehmen damals finanziell auch nicht so sehr stark dastand und wir haben uns gesagt: „Warten wir mal ab, ob die diesen Namen auf Dauer überhaupt noch behalten wollen?“ Und in der Tat, die Namensrechte wurden nicht verlängert und an dem Stichtag haben wir – wieder mit Hilfe des Anwalts – den Namen angemeldet, für Deutschland und Europa. Dann hatten wir auch den Namen dazu.


Spannend!

Ja, das war eine schöne Geschichte, weil wir dachten, die Namensbekanntheit trägt uns schnell weiter – was hinterher gar nicht so war. Wir hatten also jetzt ein Produkt, wir hatten einen Namen, wir hatten alle nötigen Werkzeuge gesichert, also wir konnten loslegen.


Welche Stückzahl wurde aufgelegt?

Stopp. Bevor wir an sowas denken konnten, mussten wir erst einmal überlegen, wie wir den Verkauf bewerkstelligen sollten. Wir hatten bislang keine Erfahrungen im Einzel-oder Großhandel, unsere Kunden waren bis dahin ausschließlich Industriefirmen, keine Händler.


Wer hat denn geholfen?

Geholfen hat uns die Firma Diplomat, die bereit war, unseren Füller mit zu vertreiben unter der Bedingung, dass wir ein CoBranding machen. Dann hieß das Gerät Kaweco Sport by Diplomat. Um die Frage nach der ersten Auflage zu beantworten: Diplomat hat im ersten Ansatz 150.000 Stück gekauft.


Das ist eine Hausnummer.

Das fanden wir auch. Wir haben also produziert und die haben verkauft. Diplomat hatte dann bald Manufactum als einen der ersten Kunden gewonnen.

Und als alles so schön lief im 2. oder 3. Jahr, starb der Inhaber von Diplomat.

Der Sohn als Erbe hat sein Unternehmen noch einmal schön hochgepusht und es dann an Herlitz verkauft.

Wir sind diesen Schritt nicht mitgegangen und haben quasi wieder neu angefangen nach Handelspartnern zu suchen. Das lief aber zunächst nicht so besonders erfolgreich. Da aber das übrige Geschäft prosperierte, haben wir gesagt „wir lassen den Kaweco so mitlaufen.“


Woher kam dann das „Lichtlein“?

Irgendwann rief der Einkäufer von Manufactum an und gab zu erkennen, dass ein weiteres Interesse am Kaweco Sport bestand. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ab einer Stückzahl von 3000 eine Weiterproduktion möglich wäre – gesagt – getan.

Neben Manufactum wurden dann eine Reihe von kleinen Läden Kunden bei uns. Nicht einmal Schreibwarenläden, eher so Konzeptstores, Museum Stores u.ä.

Die haben Kaweco weiter geführt – sozusagen als das etwas andere Produkt.

Zu meiner Überraschung hat sich dann der Füller fast von selbst international verbreitet. Eine große Rolle spielte dabei ein Händler in Berlin.


Wie das?

Als ich eines Tages auf Geschäftsreise in New York war, habe ich unseren Füller in einem Lifestyle-Laden gefunden. Ich bin dann dort hinein gegangen, habe mich vorgestellt und nachgefragt, wo sie die Ware herbekommen, denn Kunden waren die nicht bei uns.

Die Antwort war: „Wir kaufen bei einem Berliner Händler. Bei einem Besuch dort habe ich den kennengelernt und seitdem sind wir Kunden bei ihm.“ Dieses Phänomen der Übertragung von Händler zu Händler hat sich auf viele Länder der Erde fortgesetzt.

Was dann auch dazu kam, war das Internet. Ohne dieses Medium wäre der heutige Erfolg nicht möglich. Über das Internet verbreiten sich die Dinge schnell – aber auch die negativen. Deshalb muss man daran arbeiten gut zu sein. Und ein Hauptwerkzeug, den Erfolg zu sichern, ist Service und nochmals Service. Egal wie teuer das Produkt war und egal wie teuer der jeweilige Servicefall ist, wir helfen den Kunden, wenn er ein Problem hat. Wir schicken selbst nach Indien eine Feder, wenn es darauf ankommt.


Wie kamen Sie dann zu den großen und teureren Geräten und Kollektionen?

Im Grunde durch unsere Händler. Bei den sehr preisgünstigen Füllhaltern, die dennoch erklärt werden mussten, blieb ihnen – auf Deutsch gesagt – zu wenig übrig. Um auf Dauer in dem Segment erfolgreich verkaufen zu können, brauchten wir Schreibgeräte mit höherer Wertschöpfung.

Wir haben dann begonnen, unser Sortiment zu erweitern. Es sollte breiter werden und wir wollten auch die völlige Abhängigkeit vom „Sport“ loswerden. Wir haben dabei sehr auf unsere Händler und Partner gehört, die uns erklärten, was die Käufer gesucht haben. Unter anderem spielten dabei Themen wie Retro-Design (die Kaweco DNA sollte man immer spüren), Materialien, Oberflächen,... eine Rolle. Zum Beispiel einen Füllhalter in rohem Messing zu bringen, das war schon was Ungewöhnliches, das gab es bis dahin nicht. Wir haben solches salonfähig gemacht und es ist uns auch gelungen, diese Dinge zu verkaufen. Und auf der Basis versuchen wir weiter zu arbeiten.


Da bei Kaweco die Füllhalter so wichtig sind, wer macht die Federn?

Wir arbeiten mit 2 Federherstellern zusammen, nämlich Jowo in Berlin und Peter Bock in Heidelberg. Wir führen insgesamt 32 Federn unterschiedlicher Materialien, Strichstärken, Oberflächen,... Wir haben sogar 5 Kalligraphiefedern im Programm, damit können viele Füllhalter von Kaweco umgerüstet werden.

Der Austausch der Federn ist denkbar einfach: Man schraubt die Spitze heraus und die neue hinein – fertig.


Also die wichtigsten Grundsätze bei Ihnen: Funktionalität, Schönheit und umfassenden Service?

Das ist richtig. Mir ist es zwar am liebsten, wenn der Kunde keine Probleme hat, aber falls doch einmal, dann sind wir für ihn da.


Die Herstellung der Füller erfolgt sicher was die Teile angeht, bei Ihren bewährten Partnern und die Montage machen Sie selbst?

Alle Füller außer der Serie Perkeo werden komplett bei uns in Nürnberg montiert, und zwar von Hand. Die Teile dazu kommen von Zulieferern aus unseren Werkzeugen.


Noch kurz zu den Märkten. Liefern Sie inzwischen weltweit?

Ja, wir liefern derzeit mit 60 Mitarbeitern in 50 Länder der Welt. Das teilt sich auf in ein Drittel Nordamerika, ein Drittel Asien und ein Drittel Europa.


Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welches ist Ihr Lieblingsstift?

Das ist eindeutig der Kaweco Sport. Ich habe immer einen in der Tasche und arbeite oft damit.


Herr Gutberlet, vielen Dank für das Gespräch.



 





Comments


bottom of page