Stadt und Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge sind gerade dabei, eine der größten Wasserstofferzeugungsanlagen Deutschlands aufzubauen. Hier soll grüner Wasserstoff vornehmlich für den regionalen Abnehmer erzeugt werden.
Über Details sprach unser Magazin mit Jürgen Kromer, Klimaschutzmanager Landratsamt Wunsiedel und Jan Friedrich, Projektleiter bei der endura kommunal GmbH.
Herr Kromer, Wunsiedel ist ein kleines Landstädtchen im Fichtelgebirge. Wie kommt man denn hier darauf, eine von Deutschlands größten Elektrolyseuren aufzubauen? Wie entstand die Idee?
Kromer: Da muss man rund 20 Jahre zurückgehen. Damals wurde Marko Grasser neuer Chef der Stadtwerke Wunsiedel (heute: SWV GmbH). Er stellte Überlegungen an, wie man einen hohen Anteil erneuerbaren Energien in das bestehende System der Stadtwerke mit einbeziehen könnte. „Werden wir später nur Verteiler von Energien sein oder nehmen wir den Auftrag ernst, den wir eigentlich haben, nämlich die Versorgung der Bevölkerung?“. Dann wurden Ideen entwickelt, später auch konkrete Projekte, um die Bürger im Landkreis, aber auch die Industrie, dezentral mit Energie zu versorgen. Das Ziel ist, komplett CO2 neutral zu werden.
Nun gibt es Themen, wie Wasserstoff, die nicht so leicht von einer kleinen Stadt zu bewältigen sind, darum haben sich u.a. Stadt und Landkreis aber auch Siemens und die SSW Wunsiedel auf Initiative des Herrn Krasser zusammengeschlossen.
Es gab dann 2019 zwei Wasserstoff-Stammtische, die reges Interesse, gerade auch von Unternehmen, am Thema Wasserstoff deutlich machten.
Friedrich: Wenn ich hier einhaken darf – es gab zuvor hier in der Region Oberfranken keine Wasserstoffquellen. Die nächste war und ist rund 200 km entfernt. Es gab aber durchaus schon Abnehmer. Die Verbraucher mussten ihre Verbrauchsmengen heranfahren, was nicht gerade billig war. Zum anderen gab es eben das Bemühen der Stadt Wunsiedel, bei der Versorgung der Bevölkerung auf 100% erneuerbare Energie zu kommen. Dazu ist Wasserstoff gut geeignet, denn er kann als Zwischenspeicher dienen und Lastspitzen bei Sonne und Windkraft gut abdecken. Das heißt, es gibt eine Überkapazität im Netz, die eben zu Spitzenzeiten wieder abgebaut werden kann.
Das also ist die Grundidee. Wann hat man dann ernsthaft begonnen, das Projekt zu realisieren?
Kromer: Die Betreibergesellschaft, WUN H2, welche die Anlage hier in Wunsiedel baut, wurde 2020 gegründet. Parallel dazu wurde beim BMVI, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, über die HyExpert-Förderung ein Antrag auf Förderung eines integrierten Wasserstoffkonzepts gestellt, welcher auch genehmigt wurde.
Ein weiteres Projekt, im Rahmen von HyExpert, soll letztlich auch für die Nutzung von Wasserstoff im Mobilitätassektor sorgen. Beide Projekte laufen in enger Verzahnung.
Welches sind die beteiligten Firmen?
WUN H2, Riessner-Gase GmbH, Siemens, SWW Wunsiedel GmbH,
H2.Fichtelgebirge (Wasserstoff im Verkehr) und über ca. 40 lokale und über-regionale Partner aus der Wirtschaft.
Friedrich: Das sind aber keine Planungsfirmen, sondern Betreiberfirmen des Elektrolyseurs. Die Planung und Errichtung hat hauptsächlich Siemens koordiniert.
Siemens hat hier bereits einen dezentralen Batteriespeicher errichtet, mit einer Kapazität von über 10 MWh und 8.4 MW Leistung, eben auch um Lastspitzen auffangen zu können.
Jetzt wurde im Juni eine Vereinbarung mit der ZENOBA (Zukunftsenergie Nord/Ost Bayern) getroffen, die rein kommunal getragen ist, um einen noch größeren Batteriespeicher zu errichten, mit 100 MW und 200 MWh. Und zusätzlich sollen noch 300 MW PV-Anlagen entstehen.
Man wundert sich, dass neben der Wasserstofferzeugung noch so viele andere Speicher errichtet werden?
Kromer: Ja, wir brauchen unterschiedliche Speicher – Kurzzeitspeicher, die für wenige Minuten bis Stunden eingesetzt werden, bis hin zu Langzeitspeichern, welche die Versorgung in einer Dunkelflaute übernehmen können. Neue Speicher, auch neue Speichertechnologien stehen am Start, die solche Aufgaben übernehmen können.
Wer zahlt und wie sieht es mit der Förderung aus?
Friedrich: In Kooperation mit der Oberfrankenstiftung und der Universität Bayreuth, aber auch mit Fremd-und Eigenkapital, konnten die nötigen Mittel für den Bau der Elektrolyseanlage aufgebracht werden. HyExpert, also die Entwicklung eines integrierten Wasserstoffkonzepts, wird mit 300.000 Euro gefördert.
An der Stelle, was ist grüner Wasserstoff? Ist das Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wurde?
Kromer: Bei uns ist grüner Wasserstoff in der Tat Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, und zwar dezentral aus Quellen hier aus der Region. Das betrifft unseren aber auch Nachbarschaftskreise. Ansonsten gibt es noch keine legal eindeutige Definition von „grünem Wasserstoff“, bzw. nur unter Vorbehalt und nicht allumfassend (vergleiche EEG2021 und THG-Quote).
Welches sind die wichtigsten Kerndaten der Anlage?
Friedrich: Die Nennleistung der Anlage liegt bei 8,75 MW. Die Anlage baut recht kompakt und wird kurze Ansprechzeiten haben. Wir können pro Jahr bei voller Ausnutzung auf rund 1350 Tonnen Wasserstoff kommen.
Insgesamt in Deutschland brauchen wir aber Millionen Tonnen.
Friedrich: Ja, aber wir machen hier erst einmal den Anfang. Wenn es noch um die Definition der Anlage geht: Es wird vier Abfüllstationen geben, wo der Wasserstoff mit 380 bar abgefüllt wird. Abgefüllt wird in spezielle LKWs, die jeweils knapp 1000 kg aufnehmen können. Mit Hilfe der Lastkraftwagen erfolgt die Verteilung zunächst einmal an die lokalen Abnehmer.
Herr Kromer, auf der Messe IAA Mobility sprachen Sie von anderen Landkreisen, insbesondere in Südbayern, mit denen Sie kooperieren wollen?
Ja, es gibt bereits Landkreise und Regionen, mit denen wir zusammenarbeiten, die zum Teil auch Wasserstoff erzeugen wollen. Ein Landkreis mit dem wir kooperieren, ist unter anderem Passau. Beispielsweise wird es hier eine Kooperation für den Test von LKWs geben.
Wie ist der Status des Projektes im Augenblick?
Kromer: Der Status ist so, dass wir den Projektbericht nahezu fertig haben. Es wird dann einen Event im Februar 2022 geben, wo unser Wasserstoffkonzept vorgestellt wird. Wir stellen uns dafür die sogenannte „Wunsiedler Wasserstofftage“ vor, eine etwas größere Veranstaltung. Daraufhin erwarten wir die Ausschreibung zur nächsten Förderstufe, HyPerformer, um insbesondere Wasserstofffahrzeuge in die Region zu holen.
Die Anlage ist zurzeit im Bau und wir erwarten, dass sie im nächsten Jahr in Betrieb genommen wird, hoffentlich schon mit integrierter Wasserstofftankstelle, so, dass Mitte, Ende 2022 erste Fahrzeuge betankt werden können.
Wer würde diese Fahrzeuge dann bauen?
Friedrich: Es gibt diverse Hersteller, die in Frage kommen, u. a. Faun, Hyundai, MAN, Iveco etc.
Ein Schlusswort bitte.
Was uns wichtig ist: Die Errichtung einer komplett dezentralen Energieversorgung. Dazu brauchen wir unabdingbar auch Wasserstoff.
Herr Kromer, Herr Friedrich, vielen Dank für das Gespräch.
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