Im Laufe der letzten Jahre hat die Bechtle AG, Neckarsulm, die meisten vormaligen Solidworks-Händler im DACH-Bereich gekauft. Was wurde daraus, was haben die Händler davon und insbesondere die Kunden? Fragen an Uwe Burk, Bereichsvorstand PLM, Engineering & Manufacturing.
Herr Burk, seit wann sind Sie bei Bechtle als Vorstandsmitglied tätig?
Seit 1.11.2020 bin ich Bereichsvorstand CAD/CAM bei Bechtle – inzwischen wurde der Bereich umbenannt in PLM Engineering & Manufacturing.
Was genau fällt in Ihren Bereich?
Zum Bereich PLM Engineering & Manufacturing gehören alle Gesellschaften der Bechtle Gruppe, die sich mit PLM und 3D-Druck beschäftigen. Innerhalb der Bechtle Gruppe gehören diese Gesellschaften zu den sogenannten Spezialisten. Wie die Beschreibung vermuten lässt, geht es bei diesen Gesellschaften um spezielle Digitalisierungsthemen, die sich im klassischen Systemhausgeschäft von Bechtle nicht ohne weiteres integrieren lassen. Innerhalb der Spezialisten kümmern sich die PLM-Gesellschaften um alle Kundenanforderungen zur Digitalisierung von Entwicklungs- und Fertigungsprozessen. Dazu zählen CAD, cPDM, SIMULATION, CAM, 3D-Drucktechnologien, digitale Qualitätssicherung, Visualisierung, 3D-gestützte Dokumentation, Virtual Reality, Industrial IoT und viele verwandte Themen.
Unsere PLM-Gesellschaften sind langjährige Vertriebspartner von Dassault Systèmes SOLIDWORKS und betreuen gemeinsam über 35.000 Kunden in der DACH-Region und in Benelux. Bei Bechtle gibt es in jeder Gesellschaft – und das gilt nicht nur für die PLM-Gesellschaften – klare Verantwortlichkeiten. Diese liegen bei den jeweiligen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, die nach dem Bechtle Grundsatz „dezentral vernetzt“ agieren.
Wir verfügen bei den PLM-Gesellschaften über ein sehr engagiertes und kompetentes Team von Geschäftsführenden, die sich in Grundsatzfragen abstimmen und gleichzeitig die Identität und Stärken der einzelnen Gesellschaften wahren.
Sie führen ihre Teams in flachen Hierarchien mit maximaler Ausrichtung auf den Kundennutzen. Damit stellen Sie sowohl den Geschäftserfolg unserer Kunden als auch ihrer jeweiligen Gesellschaften sicher. Und genau das ist die Form von Balance, welche wir als Bechtle anstreben.
Was haben die Händler davon, jetzt alle zu Bechtle zu gehören?
Die Bechtle AG unterstützt alle ihre Gesellschaften mit einer Reihe von sinnvollen zentralen Diensten, für deren Bereitstellung jedes Unternehmen sonst erhebliche Aufwände hätte, ohne die Skalierungseffekte der Bechtle Gruppe nutzen zu können. Beispielsweise stellt Bechtle allen Gesellschaften ein immer hochmodernes zentrales IT-Management, Personalmanagement, Fuhrparkmanagement, Buchhaltungssysteme, Gebäudemanagement und viele weitere Dienste zur Verfügung. Besonders hervorheben möchte ich professionelle Fortbildungs- und Personalentwicklungsprogramme, welche sich in den Einzelgesellschaften alleine nur mit erheblichem Aufwand umsetzen lassen würden. Letztlich kommt die hohe Kosteneffizienz bei all diesen Leistungen nicht nur unseren Gesellschaften, sondern auch unseren Kunden zugute.
Gibt es eine sachliche/fachliche Zusammenarbeit oder geht es nur ums Geld?
In der Tat haben wir in den letzten Monaten die fachliche Zusammenarbeit zwischen den PLM-Gesellschaften und einigen anderen Bechtle Gesellschaften intensiviert.
Nach erfolgreichem Einsatz von Fachvertriebsteams einzelner PLM-Gesellschaften in Kundenprojekten anderer PLM-Gesellschaften hat das Geschäftsführenden Team Ende 2021 beschlossen, künftig bestimmte Fachvertriebsleistungen einzelner Gesellschaften allen Kunden der Bechtle Gruppe anzubieten.
Hierdurch machen wir zum Beispiel Zusatzlösungen aus den Bereichen Anlagenbau, Produktkonfiguration und Holzindustrie, aber auch das erweiterte PLM-Lösungsportfolio von Dassault Systèmes allen Kunden der Bechtle-Gesellschaften zugänglich. Durch die Konzentration der spezialisierten Teams bei einzelnen Gesellschaften können wir mehr Kapazität für das jeweilige Thema vorhalten und gleichzeitig allen Kunden den günstigen Zugang zu den Spezialthemen über alle Gesellschaften ermöglichen.
Welche großen Themen haben Sie sich vorgenommen?
Ganz klar steht das Thema 3DEXPERIENCE von Dassault Systèmes für uns im Vordergrund. Mit dem 3DEXPERIENCE WORKS Cloud-Portfolio wird es endlich auch den KMUs ermöglicht, PLM für sich nutzbar zu machen. Aufwendige IT-Infrastruktur, hohe Implementierungs- und Lizenzkosten sowie zum Teil unkalkulierbare Upgrade-Aufwände haben den Einsatz von PLM bei diesen Unternehmen bisher verhindert, mindestens jedoch unrentabel gemacht.
Das hat sich mit 3DEXPERIENCE WORKS aus der Cloud grundlegend geändert. Sind die einzelnen Bestandteile einer PLM-Konfiguration doch als sogenannte Rollen per Software as a Service (SaaS) ohne Anfangsinvestition erhältlich. Hierdurch lässt sich kundenspezifisch vom einfachen cPDM für bestehende CAD-Installationen bis hin zur durchgängigen PLM-Lösung nahezu jede Kundenanforderung umsetzen. Der große Vorteil für unsere Kunden: Die bei unseren Kunden bestehenden SOLIDWORKS-Lösungen lassen sich an die 3DEXPERIENCE-Plattform koppeln und damit zur vollständigen PLM-Lösung weiterentwickeln. Damit schaffen wir bei unseren Kunden die Basis zur Abbildung des Digitalen Zwillings und schließlich zur Umsetzung von Industrie 4.0 auch bei KMUs.
Unsere Expertenteams haben in den letzten beiden Jahren erheblich in Aus- und Weiterbildung investiert und verfügen inzwischen über das notwendige Know-how und die entsprechenden Zertifizierungen des Herstellers.
Inzwischen bieten wir auch das On-Premise 3DEXPERIENCE PLM-Portfolio von Dassault Systèmes durch ein Fachvertriebsteam über alle unsere PLM-Gesellschaften an. Dadurch bieten wir unseren Kunden maximale Flexibilität bei der Infrastrukturwahl und auch den Zugang zu den ENOVIA-, SIMULIA- und CATIA On-Premise-Lösungen an.
Weitere große Themen sind die Etablierung der Fachvertriebsteams, u. a. für die Themen Produktkonfiguration, Stahlbau-, Anlagenbau- und Holzindustrielösungen. Außerdem arbeiten wir mit anderen Bechtle Gesellschaften an Lösungen z. B. aus den Bereichen Virtualisierung und IT-Security, welche wir auf die Anforderungen unsere PLM-Kunden optimiert anbieten wollen.
Haben Sie Ideen, wie man unsere klassischen Themen (CAD/CAM/PLM) nun nutzen kann, um die neuen Themen wie Umweltschutz und Klimaschutz besser bewältigen zu können?
Bereits seit einigen Jahren können Ingenieure mit SOLIDWORKS Sustainability auf einfache Weise nachhaltigkeitsoptimierte Produkte entwickeln. Die Sustainability-Technologie bildet die jeweiligen Nachhaltigkeitsbewertung eines Produktes während der Entwicklung in einem einfach verständlichen Simulationsreport ab.
Dies wurde durch den Einsatz der sogenannten GABY-Datenbank möglich. Die GABY-Datenbank stellte der SOLIDWORKS-Simulationsumgebung umfangreiche Nachhaltigkeitsinformationen einzelner Komponenten zur Verfügung und diese Komponenteninformationen werden während der einzelnen Konstruktionsschritte permanent aktualisiert. Sowohl auf Komponenten- als auch auf Baugruppenebene werden dem Konstrukteur oder der Konstrukteurin die Gesamt- und Einzelbilanzen einer jeweiligen Produktkonfiguration, mögliche Alternativen hinsichtlich Material, Herstellverfahren und Beschaffung (Nachhaltigkeit des Transports in Abhängigkeit von Distanzen, Mengen, Massen, eingesetztem Transportmittel etc.) u.v.m. dargestellt.
Bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsalternativen können weitere Simulationswerkzeuge (Festigkeit, Temperaturverhalten, Kosten etc.) mit der Nachhaltigkeitsanalyse verknüpft werden und somit sowohl Nachhaltigkeit, Produktqualität und Marktfähigkeit gleichzeitig optimiert bzw. sichergestellt werden. Ich bin überzeugt, dass mit der beschriebenen Methodik, sowie der in Kürze verfügbaren Sustainability-Rolle auf der 3DEXPERIENCE Plattform die Nachhaltigkeit von Produkten bereits während der Entwicklung erheblich verbessert werden kann.
Herr Burk, vielen Dank für das Gespräch.
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