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AutorenbildKarl Obermann

Gib dem Fehler ein Spielfeld, sonst spielt er wo er will

Aktualisiert: 18. Aug. 2020


Vor rund 10 Jahren besuchte ich eine recht kleine Firma in Bremen. Gleich am Eingang hing ein Schild mit dem obigen Text von der Decke: „Gibt dem Fehler ein Spielfeld, sonst spielt er wo er will“.


Ein Gespräch mit dem Chef brachte weiteren Aufschluss: „Der Fehler 'ist immer dabei', erklärte er und verwies auf die Automobilindustrie, in der er zumeist tätig war: Je mehr in den letzten 20 Jahren Qualitätsmanagement-Systeme installiert wurden, desto mehr gab es auch Rückrufaktionen – selbst bei den renommiertesten Marken.“ Na ja, da könnte was dran sein.


Und auch das ließ der Herr noch wissen, wenn es uns gelänge, den Fehler ganz zu eliminieren, würde die gesamte Materie zusammenbrechen. Also „der Fehler“ ein systemimmanenter Teil der materiellen Welt?


Was oder wer kann helfen, das zu klären?


Da ich auf dem Land wohne, habe ich meinen Blick auf die Natur gewendet. Dabei fiel z. B. auf, ein Apfelbaum setzt 1000 Äpfel an und wirft 500 wieder ab, nach recht kurzer Zeit. Was für eine Verschwendung? würden wir denken.


Da aber dieses nun einmal von der Schöpfung selbst gelenkt wird ohne menschlichen Eingriff, kann es nicht falsch sein, sondern das Konstruktionsprinzip!


Noch ein Beispiel. Jeder weiß, wenn man einen Bach in einen Wiesengrund laufen lässt, macht er sofort schöne Bögen und mäandert so dahin. Braucht viel Land, macht den Bauern gewisse Probleme beim Mähen usw. Das könnten wir doch wohl besser, oder?


Klar, Lineal raus, einen geraden Strich gezogen und entlang dessen ein Bachbett gegraben. Manche haben auch noch eine Befestigung mit Steinen oder Beton gemacht. Zicke, zacke, fertig. Alle Probleme beseitigt.


Nur es funktioniert nicht mehr. Das weiß man heute. Der Bach "verkommt", die Fische bleiben weg, genauso die Amphibien und die Insekten.


Plötzlich ist der Bach tot. Das ging vieler orten über Jahrzehnte so.Mittlerweile will man das aber nicht mehr. Auf breiter Front hat die Renaturierung begonnen. Und siehe da, die Bäche und Flüsse beginnen wieder zu leben - aber der „Fehler“ ist auch wieder da.


Auch hier muss man feststellen, der Fehler ist also nicht falsch, sondern ein Teil des Konstruktionsprinzips!


Was heißt es für uns in der Industrie? Das Spielfeld für den Fehler ist z. B. eine Sollbruchstelle, oder eine redundante Auslegung von Teilen oder Systemen oder die kluge Ersatzteilvorhaltung u. v. m.


Euch fällt sicher noch einige ein. Das Spielfeld kostet auf jeden Fall etwas, ob es nun Wiese ist oder ein redundantes System. Aber dieser Einsatz lohnt sich.


Habt Ihr Erfahrung mit dieser Geschichte? Dann könnt Ihr sie vielleicht mit Euren Kollegen und Kolleginnen teilen.


Herzlichst Ihr

Karl Obermann

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